Acomodada

en las olas la mesa
mojo sus patas

An das Meer geschmiegt
holte der Tisch sich im Nu
klatschnasse Füße

(Coco Piérart, Chile 2010)

Urtümliche Wesen mit bemalten Körpern, das ist das erste Bild, das der westlichen Welt in den Sinne kommt, wenn vom Volk der Selk’nam auf Feuerland die Rede ist. In einer Mischung aus anthropologischem Ernst und künstlerischem Spiel führt die Installation von Coco Piérart „Repliken und Nachbeben / Réplicas“ zwei Themen zusammen, die zum Innersten menschlicher Erfahrung zählen: ursprüngliche Rituale im Kampf gegen die Feindseligkeiten der Natur. Mit dem hochaktuellen Thema der „Rückkehr“ zum ursprünglichsten Gestus des Überlebens nach dem jüngsten Erdbeben und dem Tsunami, der wichtige Teile der Küstenregionen Chiles verwüstet hat, bezieht sich die südchilenische Künstlerin bewusst auf das erloschene Volk der Selk’Nam, auf seine Praktiken der Körperbemalung und auf den Gebrauch der Masken. Diese zielen darauf ab, die Unbilden des Klimas und übernatürliche Kräfte zu besiegen und dienen gleichzeitig dazu, das soziale Leben zu ritualisieren. Alles dies erscheint im chilenischen Alltag der ständigen Nachbeben (réplicas) von erneuter ungeahnter Aktualität. Dieser Alltag ist geprägt von einem Zurückgeworfensein auf elementarste Rituale wie das Sammeln von Nahrung, die Suche nach Wasser oder die Nutzung des Feuers, um ohne Strom und Gas zu kochen und die Nacht unter freiem Himmel zu verbringen. Mit der der Künstlerin eigenen Ausdrucksfreiheit und Unbekümmertheit ist diese Kunstinstallation Ausdruck des menschlichen Bedürfnisses nach mehr Spiritualität und Ritualität in Katastrophenzeiten. 

Die Tuschezeichnungen und die originellen aus Filz gestalteten Masken ahmen in einem sehr eigenen Stil die Körper- und Bekleidungskünste der Selk’nam nach. In ihrer Inspiration am Archaischen bilden Coco Piérarts Repliken der Masken Feuerlands den mit handwerklicher Liebe gestalteten Kern einer Kunstausstellung, die um die irdischen Urkräfte und um den standhaften Versuch der Menschen kreist, genau diesen zu widerstehen. (Liliana Bizama M.A., Speyer)